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Dipl.-Math. Julia Rucker

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I2.3: Modellbasierter Entwurf von Algorithmen für die dezentrale Aufgabenbearbeitung in Sensor-Aktor- Netzwerken

Motivation

In der Automation geht der Trend weg von hierarchisch starr automatisierten Systemen hin zu intelligenten, verteilten und flexiblen Architekturen. Hierfür müssen Sensor-Aktor-Netzwerke kooperative Aufgaben unter Randbedingungen erledigen können, die im Voraus nicht ausreichend bekannt sind und die sich während der Ausführung dynamisch verändern können. Mit der angestrebten Kooperationsfähigkeit steigen die Systemkomplexität und die Anforderungen hinsichtlich Performanz, Robustheit und Skalierbarkeit. Sehr wichtig sind in diesem Zusammenhang leistungsfähige Sensor-Aktor-Netzwerke bei denen einzelne Knoten dezentral miteinander kooperieren und in Echtzeit kommunizieren können. Hierzu werden Technologien und Methoden benötigt, mit deren Hilfe sich Sensor-Aktor-Netzwerke automatisch konfigurieren, selbst organisieren und mit denen die Knoten dezentral zur Erreichung eines vorgegebenen Zieles kooperieren können.

Stand der Forschung

Im Rahmen einer Reihe von Forschungsarbeiten wurden Strategien entwickelt, damit autonome Sensor-Aktor-Knoten komplexe Aufgaben durch Kooperation und Interaktion ausführen können. Diese koordinierte Aufgabenbearbeitung kann mittels dreier Ansätze erreicht werden:

  • Beim zentralen Ansatz werden die Knoten des Sensor-Aktor-Netzwerks zentral durch ein Steuerungssystem gelenkt.
  • Beim verteilten Ansatz (z.B. Contract Net) erfolgt die Kooperation der Knoten des Sensor-Aktor-Netzwerks über ein festgelegtes Protokoll aus dem sich das globale Verhalten direkt ableiten lässt.
  • Beim dezentralen Ansatz arbeiten die Knoten des Sensor-Aktor-Netzwerks gemäß der ihnen übertragenen Verhaltensmuster zusammen, wobei das globale Verhalten emergent durch eine geeignete Auswahl von lokalen Verhaltensprimitiven erreicht wird. Die Kooperation erfolgt über nachrichtentechnische Kommunikation bzw. Interaktion mit anderen Sensor-Aktor-Knoten und der Umwelt über Sensorik. Gerade in diesem Bereich haben sich aus biologisch inspirierten Systemen neuartige algorithmische Fragestellungen und Aussagen ergeben.

Alle drei Ansätze beinhalten verschiedene Vor- und Nachteile. Im Rahmen dieses Vorhabens werden wegen der gewünschten Flexibilität die verteilten und dezentralen Methodiken aufgegriffen, die derzeit von verschiedenen Forschergruppen isoliert verfolgt werden. Ziel ist es, basierend auf vorgegebenen Aufgaben zum einen die Vor- und Nachteile der Ansätze zu verstehen und zum anderen Synergieeffekte zwischen diesen auszunutzen.

Ziele

In diesem Teilprojekt sollen Methoden für die Selbstkonfiguration, Selbstorganisation und Kooperation für Sensor-Aktor-Netzwerke erforscht und entwickelt werden. Hierfür werden Schwarmtechniken und Schwarmmodelle als Grundlage herangezogen. Da Schwärme ohne zentrale Kontrollinstanz arbeiten, liegt das Hauptaugenmerk der geplanten Forschungsarbeiten auf der Untersuchung dezentralisierter und verteilter Ansätze. Unter anderem sollen folgende Fragestellungen behandelt werden:
Es wird untersucht, wie einzelne Knoten anhand ihrer Fähigkeiten und des jeweiligen Kontexts Teilaufgaben übernehmen und autonom durchführen können. Die Zuordnung von Aufgaben zu bestimmten Knoten wird aus der globalen Aufgabenstellung abgeleitet und für einen Zeitraum fest definiert oder durch einen Verhandlungsprozess festgelegt bzw. bei sich ändernden Randbedingungen und Zielvorgaben dynamisch neu festgelegt.
Durch kollektives Verhalten mit solchen variablen Rollenverteilungen der Sensor-Aktor-Knoten sollen Emergenzphänomene nachgebildet werden. Dabei wird auch untersucht, unter welchen Bedingungen die autonome Interaktion von Knoten zu einer Effizienzsteigerung bzw. Leistungsverschlechterung des Gesamtsystems führt. Untersuchungen zur Skalierbarkeit sollen aufzeigen, inwieweit Kooperations- und Selbstorganisationsmechanismen sowohl für kleine Sensor-Aktor-Netzwerke mit bis zu 1000 Knoten als auch für sehr große Netzwerke mit bis zu 1 Million Knoten skalieren.
Der Ausfall eines einzelnen Sensor-Aktor-Knotens sollte idealerweise keine Auswirkung auf das Gesamtsystem haben, d. h. es darf kein "Single Point of Failure" existieren. Für die autonome Behandlung von Fehlersituationen werden daher robuste und echtzeitfähige Methoden entwickelt. Es werden zudem Verfahren betrachtet, die mögliche Deadlocks bzw. eine Stagnation der Kooperation verhindern bzw. autonom reparieren.
Es werden direkte und indirekte Kommunikations- und Interaktionsansätze für komplexes Gruppenverhalten untersucht. Dabei stellt sich die Frage, wie Knoten über Sensorik oder Netzwerke bzw. über die gemeinsame Umgebung lokal mit ihren Nachbarn kommunizieren und interagieren können. Zudem wird untersucht, wie Sensor-Aktor-Netzwerke durch Erfahrung und Interaktion, beispielsweise durch positive und negative Rückkopplungen aus der Umwelt, sukzessive lernen und auf neue Aufgaben adaptiv reagieren können.
In Zusammenarbeit mit anderen Teilprojekten werden geeignete Architekturen und Software-Referenzmodelle für die Steuerung von Sensor-Aktor-Netzwerken untersucht und entwickelt. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Entwicklung von modellbasierten Werkzeugen und Methoden, die den Design-Prozess von emergentem Schwarmverhalten in Systemen von kooperierenden Sensor-Aktor-Knoten unterstützen und vereinfachen sollen. Dazu sollen sowohl neue Methoden zur Modellierung von Sensor-Aktor-Netzwerken entwickelt, als auch bestehende Methoden weiterentwickelt werden. Daneben soll auch die algorithmische Betrachtung helfen, die Leistungsfähigkeit solcher Ansätze besser zu verstehen. Die Praktikabilität der gewonnenen theoretischen Grundlagen soll anhand selbstorganisierender Roboterschwärme evaluiert werden. Die entwickelten Kooperationsstrategien sollen sowohl anhand von Aufgabenstellungen und Anwendungen in der Makrowelt (Produktionsroboter) als auch in der Mikrowelt (Mikro / Nano-Roboter) bewertet werden.

Um eine effiziente Interaktion mit der Umgebung zu ermöglichen, muss die lokale Steuerung auf ein Modell derselben zurückgreifen können. Dadurch ergibt sich ein enger Zusammenhang dieses Teilprojekts zum Teilprojekt I1: "Dezentrale Rekonstruktion verteilter kontinuierlicher Phänomene aus orts- und zeitdiskreten Messungen". Unter Verwendung der Erkenntnisse aus diesem Teilprojekt können zudem Methoden entworfen werden, um die im Teilprojekt I4: "Dezentrale Ressourceneinsatzplanung in Sensor-Aktor-Netzwerken" benötigten Konfigurationen der Positionierung von Sensoren zu realisieren. Bezüglich der Kommunikationsaspekte bei der Modellierung wird eine Zusammenarbeit mit dem Teilprojekt K2: "Scheduling und Topologiekontrolle in dynamischen Netzen - algorithmische Modelle und Methoden" angestrebt.